Mae Klong

Nach so viel Spiritualität sehnen wir uns nach etwas Handfesterem. Bisher kam das Erleben der Marktkultur noch zu kurz, also durchforsten wir das Internet auf der Suche nach interessanten Möglichkeiten. Besonders spannend erscheinen uns die vielen Floating Markets, die in und um Bangkok auf den Khlongs stattfinden. Doch immer wieder wird davor gewarnt, dass einige von ihnen reine Touristenfallen sind oder gar nicht historisch gewachsen, sondern ausschließlich für Besucher ins Leben gerufen wurden. Da wir an solchen Märkten kein Interesse haben, richtet sich unser Blick schnell auf den Amphawa Floating Market in Mae Klong, der als besonders authentisch gilt. Zudem hebt er sich von vielen anderen Märkten dadurch ab, dass er erst am Nachmittag öffnet und bis in die Nacht hinein dauert.

Doch nicht nur der Floating Market macht Amphawa für uns interessant. Im selben Ort gibt es auch den berühmten Railway Market, der als einer der faszinierendsten Märkte Thailands gilt. Was ihn so besonders macht, ist das außergewöhnliche Schauspiel, das sich hier täglich abspielt: Sobald sich ein Zug nähert, ziehen die Händler blitzschnell ihre Markisen und Waren von den Schienen zurück, um sie kurz darauf wieder auszubreiten, als wäre nichts geschehen. Dieses einmalige Spektakel hat dem Markt den thailändischen Spitznamen „Talad Rom Hoop“ eingebracht, was so viel bedeutet wie „Markt der zurückklappenden Schirme“.

Mae Klong liegt etwa 80 Kilometer südwestlich von Bangkok, und nachdem wir verschiedene Optionen durchgespielt haben – darunter eine geführte Tour, ein privater Fahrer oder öffentliche Verkehrsmittel – entscheiden wir uns dafür, selbst ein Auto zu mieten. Da ich inzwischen einige Erfahrung mit dem thailändischen Straßenverkehr habe, traue ich mir das Fahren in Bangkok und Umgebung zu. Zudem ist diese Variante mit nur 20 Euro für eine kleine Limousine die günstigste. Früh am Morgen lasse ich mich mit einem Grab-Fahrer zum Autoverleih bringen, sodass ich nach knapp einer Stunde wieder zurück im Hotel bin, um meine Familie abzuholen. Da morgens nur wenig Verkehr herrscht, verlassen wir die Stadt zügig und nehmen den Highway 35 in Richtung Samut Songkhram.

Während der gesamten Fahrt begleitet uns ein gigantisches Infrastrukturprojekt: Über eine Strecke von mehr als 25 Kilometern wird eine Hochstraße, die M82, errichtet, die die südlichen Regionen besser an Bangkok anbinden soll. Während wir an den endlosen Baustellen vorbeifahren, beobachten wir, wie Pfeiler um Pfeiler aus dem Boden ragt und die vorgefertigten Fahrbahnsegmente darauf gesetzt werden. Ein Bauprojekt dieser Größenordnung wäre in Deutschland kaum noch vorstellbar – aber das gilt ja für vieles…

Bald erreichen wir Mae Klong, wo uns drückende, schwüle Hitze empfängt. Den Eisenbahnmarkt müssen wir nicht lange suchen, denn bereits im kleinen Sackbahnhof springen Kinder über die Gleise, während sich links und rechts der Schienen zahlreiche Essensstände aneinanderreihen. Als wir der Hauptstraße folgen, wird schnell klar, woher der Markt seinen Spitznamen hat: Die Schirme der Händler ragen so weit über die Gleise, dass sie sich in der Mitte fast berühren.

Die Atmosphäre ist wunderbar lebendig. Obwohl viele Touristen gekommen sind, um das baldige Spektakel zu beobachten, lässt sich an der Art der angebotenen Waren leicht erkennen, dass dieser Markt nicht nur für Besucher gedacht ist. Neben rohem Gemüse, Fisch, Meeresfrüchten und Gewürzen – all das, was die Einheimischen für ihren täglichen Einkauf benötigen – gibt es zwar auch Getränke und Souvenirs, doch das touristische Angebot hält sich in angenehmen Grenzen. Wir schlendern durch die engen Gassen, genießen die intensiven Gerüche und Farben und statten schließlich dem Mae Klong-Fluss einen kurzen Besuch ab. Wer ihn aus seinem Oberlauf nahe Kanchanaburi kennt, dürfte ihn vermutlich unter einem anderen Namen wiedererkennen: als „River Kwai“, berühmt durch den Film „Die Brücke am Kwai“.

Etwa fünf Minuten bevor der Zug eintrifft, suchen wir uns ein sicheres Plätzchen, wobei wir eine schwach erkennbare rote Linie auf dem Boden als Sicherheitsmarkierung deuten. Da wir mit den Kindern unterwegs sind, wollen wir kein Risiko eingehen. Pünktlich um 14:30 Uhr erklingen aus mehreren Lautsprechern gleichzeitig Durchsagen auf Thailändisch und Englisch, die vor dem herannahenden Zug warnen. Während sich die Touristen langsam zurückziehen, beginnen auch die ersten Händler, ihre Schirme einzuklappen. Die meisten jedoch warten damit, bis die rot-gelbe Lok um die Kurve biegt und nur noch wenige Meter entfernt ist.

Für uns ist dieser Anblick mehr als ungewohnt: Als der Zug direkt an uns vorbeifährt, könnten wir ihn mit ausgestrecktem Arm fast berühren. Einige Passagiere haben die Fenster geöffnet und klatschen mit den Zuschauern am Marktrand ab – ein fröhliches, fast festliches Ereignis, das genauso schnell wieder vorüber ist, wie es begonnen hat. Kaum ist der Zug aus dem Blickfeld verschwunden, klappen die Händler ihre Schirme wieder hoch, und der Markt erwacht aufs Neue zum Leben, als sei nichts gewesen. Skurril.

Die Geschichte des Floating Markets können wir hingegen kurz halten. Obwohl es hieß, dass dieser Wochenendmarkt bereits am Freitag seine Pforten öffnet, entdecken wir auf dem Wasser lediglich zwei vereinzelte Boote, während an Land nur einige wenige Marktstände dabei sind, sich auf den Tag vorzubereiten. Doch nach dem beeindruckenden Railway Market sind wir mehr als zufrieden und treten bald darauf die Rückfahrt ins Hotel an.

Am Abend setzt leichter Regen ein, der nicht nur die Straßen benetzt, sondern auch die drückende Schwüle der Luft vertreibt.

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