Chiang Mai

Nachdem wir uns nun eine ganze Weile in uns bekannten Gefilden aufgehalten haben, starten wir vom kleinen Flughafen auf Koh Samui aus nach Chiang Mai. „Provinzflughafen“ trifft es eigentlich nicht ganz – es gibt Direktverbindungen in die Vereinigten Arabischen Emirate und vereinzelt sogar nach Deutschland –, aber vom Gefühl her wirkt hier alles wie ein regionaler Inlandsflughafen. Die Gebäude sind mit Schilf gedeckt, der Wartebereich unseres Gates liegt unter freiem Himmel, direkt neben der Landebahn, und erinnert mehr an eine Strandhütte als an ein Terminal. Fenster? Fehlanzeige. Beim Abflug kommt sofort Urlaubsstimmung auf – oder, je nach Richtung, leise Wehmut.

Für uns ist es glücklicherweise noch nicht vorbei, die Reise wird nur wieder anders. Der Flug verläuft ereignislos, und ein Grab bringt uns ins Astra Sky River – ein modernes Appartementhaus mit spektakulärem Rooftop-Pool, der sich mit stolzen 150 Metern Länge über das gesamte Dach spannt. Den ersten Nachmittag verbringen wir, von einem kurzen Einkaufsbummel abgesehen, genau dort: über den Dächern der Stadt mit grandiosem Fernblick.

Zum Abendessen gibt es Hausmannskost mit Fernweh: Spaghetti mit Barilla-Fertigsauce, zubereitet in unserer kleinen Küchenzeile. Die Zutaten stammen aus einem spezialisierten Import-Supermarkt und kosten in Summe mehr als ein komplettes Abendessen auf dem Nachtmarkt. Vor allem Käse ist hier ein Luxusgut – bei rund 20 Euro pro Kilo beginnen die günstigsten. Aber dann gibt es eben günstigen Mozzarella-Reibekäse und keinen Parmesan…

Am nächsten Vormittag steht unser erster Ausflug an: Mit einem Songthaew – einem der roten Sammeltaxis, die das Stadtbild prägen – geht es hinauf auf den Doi Suthep. Natürlich hätten wir auch ein Grab nehmen können, aber die Fahrt auf der offenen Ladefläche ist nicht nur günstiger, sondern für die Kinder auch ein kleines Abenteuer. Wir hätten sogar noch ein paar Baht sparen können, wenn wir das Fahrzeug mit anderen geteilt hätten – aber so dringend war das nun auch wieder nicht. Der Fahrer wartet oben mit seinem etwa zehnjährigen Sohn auf uns, während wir den Tempel erkunden.

Kurz unterhalb des Gipfels erhebt sich der Wat Phra That Doi Suthep, das wohl bedeutendste Heiligtum Nordthailands. Seine goldene Chedi leuchtet – sofern die Sonne sich blicken lässt – weithin sichtbar über das Tal, und sowohl Pilger als auch Touristengruppen umrunden ehrfürchtig barfuß das Heiligtum. Wer mag, erklimmt die 306 Stufen der Naga-Treppe, wer nicht, nimmt bequem die Standseilbahn. Letztere kommt für uns allerdings nicht in Frage – 306 Stufen schaffen wir locker. Ich trage Ian in der Kraxe nach oben und merke natürlich wieder später, was das wirklich bedeutet: Noch drei Tage später melden sich Muskeln, von denen ich bis dahin nicht einmal wusste, dass ich sie habe. Bei klarer Sicht öffnet sich von der Aussichtsterrasse ein weiter Blick über Chiang Mai – heute allerdings liegt ein Schleier über der Landschaft.

Zum Ende der Trockenzeit werden in Laos und Myanmar traditionell die Felder abgebrannt. Der Rauch treibt über die Berge und hüllt Chiang Mai regelmäßig in einen dichten Dunst – die sogenannte „Burning Season“, in der die Stadt mitunter traurige weltweite Spitzenreiterin in Sachen Luftverschmutzung ist. Wir hatten diese Zeit durch unseren Umweg über Malaysia umgangen, aber demnach ist hier nun keine reine Trockenzeit mehr, sondern inzwischen beginnt das Wechselspiel von Hitze, Dunst und ersten Gewittern.

Trotzdem genießen wir den Tempelbesuch in vollen Zügen, umrunden wie viele vor uns barfuß die Chedi und lassen die besondere Atmosphäre auf uns wirken. Zwei Stunden später bringt uns unser Fahrer zurück in die Stadt, an den Rand der Altstadt. Wir finden einen kleinen öffentlichen Spielplatz, füttern träge Karpfen im Schatten großer Bäume und lassen uns ein wenig treiben.

Chiang Mai wurde 1296 als Hauptstadt des Lanna-Königreichs gegründet und war über Jahrhunderte das geistige und politische Zentrum des Nordens. Der fast vollständig erhaltene Wassergraben und Reste der Stadtmauer erzählen noch heute von strategischer Bedeutung und wiederholten Belagerungen. Innerhalb des rechteckigen Altstadtkerns stehen über dreißig historische Tempel, viele davon im traditionellen Lanna-Stil mit kunstvoll geschnitztem Holz und vergoldeten Dächern. Besonders Wat Phra Singh und Wat Chedi Luang verweisen auf die religiöse und kulturelle Blütezeit der Stadt.

Den Abend verbringen wir wieder auf dem Dach unseres Appartements. Während die Sonne langsam hinter dem Doi Suthep versinkt, taucht sie die Stadt zu unseren Füßen in goldenes Licht – ein stiller, stimmungsvoller Abschluss unseres ersten Tages im Norden.

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