Củ Chi

Kein erster Besuch in Südvietnam ohne einen Ausflug zu den berühmten Tunneln von Củ Chi. Dieses Tunnelsystem, dessen Ursprünge bereits 1948 im Ersten Indochinakrieg liegen, bestand in seiner Hochphase aus rund 200 Kilometern Gängen auf drei Ebenen und reichte bis nach Kambodscha. Im Vietnamkrieg – so, wie wir ihn im Westen kennen – spielte das System eine maßgebliche Rolle: Unweit von Củ Chi errichteten die Amerikaner eines ihrer Hauptquartiere, ohne zu wissen, dass sich die Vietcong buchstäblich direkt unter ihnen aufhielten. Das System wurde immer weiter ausgebaut und war 1968 einer der Ausgangspunkte der Tet-Offensive – einer militärischen Operation, durch die der Krieg stark in den Fokus der amerikanischen Öffentlichkeit rückte.

Wir betreten also wahrhaft historischen Boden – gemeinsam mit unserer GetYourGuide-Reisegruppe und unserem Guide Bao. Die heute noch zugänglichen und touristisch aufbereiteten Tunnelabschnitte befinden sich in den Orten Ben Dinh und Ben Duoc. Mit Blick auf die Kinder entscheiden wir uns für die näher an Saigon gelegene, etwas „zivilere“ Variante in Ben Dinh. Treffpunkt ist um kurz vor acht Uhr morgens am Ben Thanh-Markt, am Büro unseres Reiseanbieters. Dort sammeln wir noch etwa acht weitere Teilnehmende ein und machen uns auf den Weg – etwa eine Stunde Fahrt später stehen wir… bei der ersten Verkaufsadresse. Warum müssen solche Touren eigentlich immer wie Kaffeefahrten beginnen?

Immerhin: Diesmal ist der Zwischenstopp sinnvoll. Es handelt sich um eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung, die aus Naturmaterialien kunstvolle Bilder und Objekte herstellen. Viele von ihnen, so erklärt uns Bao, leiden unter Spätfolgen des US-amerikanischen Agent-Orange-Einsatzes. Dieses Entlaubungsmittel – genauer gesagt das darin enthaltene, hochgiftige Dioxin – verseuchte Böden, Flüsse und Brunnen. Noch heute sind laut Schätzungen über eine Million Vietnamesen von körperlichen und genetischen Schäden betroffen. Einmal mehr wird uns bewusst, wie präsent der Krieg hier noch immer ist – gerade im Vergleich zu unserer europäischen Wahrnehmung.

In Củ Chi angekommen, sorge ich für die erste allgemeine Erheiterung: Ich versuche, mich aus einer dieser schmalen Bodenluken zu befreien, durch die die Vietcong damals in die Tunnel einstiegen. Mein Plan war: Wenn der Einstieg schon schwierig ist, breche ich ab. Was ich unterschätzt hatte: Mein Gewicht hilft zwar beim Hineinrutschen – aber ganz sicher nicht beim Herauskommen. Sagen wir so: Antje hatte ihren Spaß.

Wieder zurück an der Oberfläche zeigt uns Bao die gesamte Anlage: von unterirdischen Bunkern über die fiesen Fallen, die die Vietcong den Amerikanern stellten, bis hin zu den unscheinbaren Belüftungsschächten, die wie Termitenhügel getarnt waren. Bao ist ein hervorragender Guide, und die nächsten gut zwei Stunden fühlen wir uns bestens informiert und unterhalten.

Besonders laut wird es, als wir in die Nähe der Schießanlage kommen. Dort dürfen Besucher tatsächlich mit allem schießen, was der Krieg zu bieten hatte – von Maschinengewehren über Pistolen bis hin zum Sturmgewehr. Irgendwie bizarr, an diesem geschichtsträchtigen Ort – aber ganz ehrlich: Wo bekommt man in Deutschland schon mal die Gelegenheit, eine echte AK-47 abzufeuern? Ich gestehe also: Ich stelle mich an, drücke ab – zehn Schuss. Der Lauf der Waffe und das Griffstück sind vom Dauerbetrieb schon fast glühend heiß.

Den Abschluss bildet der Gang durch die sogenannten „echten“ Tunnel – allerdings wurden diese für westliche Besucher extra verbreitert: von ursprünglich 80 × 60 Zentimetern auf 120 × 80 Zentimeter. Und selbst das ist noch verdammt eng. Wir wagen uns durch zwei der drei Abschnitte, jeweils 20 und 40 Meter lang. Das letzte Stück – 120 Meter – ist im Originalzustand erhalten. Das wäre dann die echte „Tunnelratten-Erfahrung“ gewesen. Wir verzichten dankend, auch wenn Nele wahrscheinlich locker hindurchgepasst hätte.

Zum Abschluss dürfen wir noch das klassische Tunnel-Essen probieren: Tapioka mit einer zerstoßenen Erdnuss-Salz-Paste. Der Clou: Das Salz sollte bewusst Durst erzeugen, damit durch das anschließende Trinken von Wasser die Tapioka-Wurzel im Magen aufquillt – das sorge für ein länger anhaltendes Sättigungsgefühl. Sterne-Küche ist das natürlich nicht – aber funktional war’s wohl.

Insgesamt war der Besuch der Tunnel – auch dank unseres wirklich großartigen Guides – eine eindrucksvolle Gelegenheit, all das, was man sonst nur aus Filmen und Geschichtsbüchern kennt, einmal aus nächster Nähe zu erleben.

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