Der Geruch von Napalm am Morgen

Angesichts der auch hier herrschenden tropischen Temperaturen hatten wir – wie immer – eine Unterkunft mit Pool gewählt. Die Pools der Wohnanlagen liegen, ganz sozialistisch, als Gemeinschaftseinrichtungen zwischen den vielen 50-stöckigen Hochhäusern. Doch wie wir gestern ernüchtert feststellen mussten, ist der Zugang nicht ganz so einfach: Nur weil ein Pool vorhanden ist, heißt das noch lange nicht, dass man ihn auch nutzen darf! Der Zutritt erfolgt ausschließlich per Keycard oder Fingerabdruck – und dieser muss zunächst registriert werden. Laut unserer Vermieterin hatte ihr Bekannter dafür gestern (also am Tag unserer Ankunft) allerdings keine Zeit mehr. Großartig, dachten wir – bei schwüler Hitze und ohne Aussicht auf Abkühlung.

Heute klappt es dann endlich: Der besagte Bekannte kommt – und entführt uns gleich drei Hochhäuser weiter. Nur dort, so erklärt er uns mithilfe von Google Übersetzer, dürfen wir den Pool nutzen, nicht etwa im Gebäude direkt unter unserer Wohnung. Das wirkt auf uns alles nicht ganz koscher, und wir fragen uns schon, inwieweit die tage- oder wochenweise Untervermietung von Appartements hier überhaupt zulässig ist. In vielen Ländern – etwa in Thailand – ist dies durch sogenannte „Lex Airbnb“-Gesetze mittlerweile untersagt. Eine klare Regelung für Vietnam finden wir auf die Schnelle nicht, und ehrlich gesagt ist es uns auch egal. Der Pool jedenfalls ist erfrischend – aber leider, umgeben von Hochhäusern, extrem schattig. Es wird, so viel sei vorweggenommen, das erste und letzte Mal bleiben, dass wir ihn nutzen. Hauptsache, ich hatte der Vermieterin schon einmal mit einem Unterkunftswechsel gedroht, sollte uns der Zugang verwehrt bleiben…

In Vietnam scheint das Thema „Krieg“ deutlich präsenter im kollektiven Bewusstsein zu sein als bei uns. Wie bereits im vorherigen Beitrag erwähnt, wird das Ende des Vietnamkriegs erst Ende April – also bald – mit dem 50. Jahrestag gefeiert. Ein weiterer Grund für uns, nach dem morgendlichen Bad dem „War Remnants Museum“, dem Kriegsmuseum von Saigon, einen Besuch abzustatten.

Unwissentlich haben wir uns allerdings keinen idealen Tag ausgesucht – es ist Hùng Kings Commemoration Day, ein gesetzlicher Feiertag, an dem der legendären Hùng-Könige gedacht wird, die als mythische Begründer Vietnams gelten. Entsprechend voll ist es: Die Straßen sind überlaufen, und auch das Museum platzt aus allen Nähten.

Schon von außen – wir hatten gestern bereits einen Blick durch den Zaun werfen können – ist das Freigelände beeindruckend: Ausgestellt sind fast ausschließlich amerikanische Hinterlassenschaften. Vom Chinook-Transporthubschrauber über den „Huey“ – das ikonische „Gesicht des Krieges“ – bis hin zu Landungsbooten, Kampfpanzern und Artilleriegeschützen. Für Nele ist es die erste Begegnung mit derart martialischem Gerät, und sie kommt aus dem Staunen kaum heraus. Ihre bislang heile Welt bekommt erste Risse, als wir ihr erklären, wofür diese Maschinen einst gebaut wurden…

Im Inneren des Museums finden sich im Erdgeschoss bekannte Exponate, die man aus zahlreichen Kriegsfilmen kennt: Von der Claymore-Mine („Front Toward Enemy“) über die Bazooka bis hin zur „7,62 Millimeter Full Metal Jacket“-Patrone – hier hätten sich Kubrick und Coppola problemlos mit Requisiten eindecken können. Die Ausstellungen in den oberen Stockwerken hingegen – darunter erschütternde Dokumentationen wie das Massaker von My Lai oder Nick Úts berühmtes Foto „The Terror of War“ (besser bekannt als „Napalm Girl“) – sind für Kinder nicht zumutbar. Schon die Nachbildung der sogenannten „Tigerkäfige“ im Innenhof, in denen US-Truppen Kriegsgefangene hielten und folterten, ist für Nele nur deshalb „harmlos“, weil sie das Gesehene noch nicht einordnen kann.

Alles in allem ist der Besuch tief beeindruckend – aber auch sehr, sehr belastend. Nicht nur wegen der bedrückenden Inhalte, sondern auch aufgrund der Menschenmengen und der tropischen Hitze.

Am späten Abend dann besuchen wir noch den Park vor unserer Wohnsiedlung, und staunen über die buchstäblich tausenden anderen Menschen, die sich hier zum Picknick oder zum Drachsteigenlassen getroffen haben. Auch die Spielplätze verdienen das Attribut „wegen Überfüllung geschlossen“, aber natürlich müssen die Menschen aus den 10.000 Wohneinheiten auch irgendwo hin – und der gemeinsam genutzte Park bietet sich an einem Feiertag besonders an.

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