Stadtbummel Saigon

Unsere erste Begegnung mit Saigon ist vor allem eins: laut und hektisch. Die nächstgelegene Metrostation ist Luftlinie nur ein paar Hundert Meter entfernt, doch durch eine ungeschickte Verkehrsführung müssen wir gut eineinhalb Kilometer laufen und brauchen dafür rund 20 Minuten. Der Weg führt wenig fußgängerfreundlich direkt an der Straße entlang – und der Verkehr ist überwältigend. Es sind nicht etwa, wie in Deutschland, schnell fahrende Autos, sondern unfassbare Massen an Motorrollern, die hier das Straßenbild bestimmen.

Die Metro selbst wurde gerade erst in Betrieb genommen und besteht bislang nur aus einer Linie. Auch der Ticketkauf gestaltet sich mühsam, da die Automaten noch nicht funktionieren. Als ich an den Drehkreuzen ein Kreditkartensymbol entdecke, erinnere ich mich an Singapur und bin – im Gegensatz zu fast allen Vietnamesen – im Vorteil: Ich kann mit bewährter Methode den Schalter umgehen. Die Aufsichtsperson am Drehkreuz schaut mich allerdings an, als hätte ich schwarze Magie angewendet! In der Metro bekommen wir schnell den Eindruck, dass das Bahnfahren für viele hier noch Neuland ist – im Gegensatz zu anderen Metropolen unserer Reise, wo Höflichkeit, Rücksichtnahme und vor allem Ruhe den Ton angeben, herrschen hier Geschiebe, Gedränge – und vor allem: Lärm!

Im Stadtzentrum besuchen wir zunächst den Ben-Thanh-Markt im Herzen der Stadt, der zugleich das Ende der Metro-Linie markiert. Angeblich ist dieser Markt ein absolutes Muss für jeden Saigon-Besucher: Seit 1912 lockt er mit seinem ikonischen Uhrturm und über 1.500 Ständen voller frischer Lebensmittel, Gewürze, Kleidung und Souvenirs. Tagsüber pulsiert er vor Leben – Händler preisen lautstark ihre Waren an, während der Duft von Pho und Banh Mi durch die Gänge zieht. Auch hier fühlen wir uns allerdings nicht wirklich wohl: Im Gegensatz zu anderen Markthallen, die wir besucht haben, sind die Händler hier aufdringlich und laut. Kein Stand, an dem man vorbeigeht, ohne dass einem die Speisekarte fast ins Gesicht gehalten wird, kein Verkäufer, der nicht lautstark versucht, Seidenschals oder Kaffee an den Mann zu bringen.

Insgesamt stellen wir auf unserem weiteren Weg Richtung Stadtzentrum fest, dass Saigon ein wenig unter dieser rabiaten, rücksichtslosen und unfreundlichen Atmosphäre leidet. Ich hatte es schon mal in meinen WhatsApp-Status geschrieben: Ich bin von Thessaloniki bis Bangkok in den verschiedensten Städten selbst Auto gefahren – aber hier brächten mich keine zehn Pferde hinter ein Steuer. Zu hektisch, zu unübersichtlich und vor allem zu rücksichtslos drängen sich die Motorroller-Massen durch die Straßen. Zur Lautstärke muss ich wohl nicht viel sagen – das kann sich jeder selbst ausmalen.

In der Nähe des Unabhängigkeitspalasts und des Kriegsmuseums beobachten wir rege Betriebsamkeit auf den Straßen: Große Tribünenkonstruktionen werden aufgebaut, in den Parks wird das Laub vom Rasen gefegt, und ganz Saigon schmückt sich mit der Landesflagge – dem gelben Stern auf rotem Grund. Bald erfahren wir den Grund: In wenigen Wochen feiert Vietnam den 50. Jahrestag der Befreiung Saigons durch nordvietnamesische Truppen – das Ereignis, das das Ende des Vietnamkriegs markiert und als Tag der Wiedervereinigung begangen wird.

Wir schlendern weiter in Richtung der Saigoner Notre-Dame-Kathedrale, die jedoch derzeit vollständig eingerüstet ist, da sie renoviert wird. Gegenüber befindet sich das zentrale Postamt Saigons – ein historisches Gebäude, das um 1890 in einer Mischung aus gotischen, Renaissance- und französischen Architekturstilen erbaut wurde. Fälschlicherweise wird der Bau häufig Gustave Eiffel zugeschrieben, tatsächlich stammt der Entwurf jedoch vom französischen Architekten Foulhoux.

Bald senkt sich der Mantel der Nacht über die Stadt, und mit dem Sonnenuntergang schwillt der ohnehin schon extreme Verkehr noch weiter an. Es ist uns ein völliges Rätsel, wie die Menschen diesen Zustand als akzeptabel empfinden können. Wir verabschieden uns lieber aus dem Trubel und nutzen die Küche unseres Appartements für etwas, was wir nun schon seit Monaten nicht mehr gegessen haben: Spaghetti Bolognese!

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