Kampong Phluk

Für unseren letzten Tag in Kambodscha haben wir uns noch ein besonderes Erlebnis ausgesucht. Siem Reap, das „Tor zu Angkor“, liegt unweit des Tonle-Sap-Sees, dem größten Süßwassersee Südostasiens. An seinen Ufern leben etwa eine Million Menschen – rund ein Zehntel der kambodschanischen Bevölkerung. Der See verändert seine Größe drastisch zwischen Trocken- und Regenzeit: Durch eine einzigartige hydrologische Umkehr fließt der Tonle-Sap-Fluss während der Monsunzeit rückwärts und speist den See, sodass er sich auf das Fünffache seiner Fläche ausdehnt. Aufgrund dieser enormen Schwankungen können die Menschen nicht einfach „am Ufer“ wohnen, denn dieses verlagert sich je nach Jahreszeit. Deshalb sind viele Siedlungen, darunter auch die, die wir heute besuchen wollen, auf hohen Stelzen gebaut. Während der Trockenzeit kann man mit dem Auto durch die Dörfer fahren, in der Regenzeit steigt das Wasser jedoch um bis zu zehn Meter, und die Straßen verwandeln sich in Wasserwege.

Für die Organisation dieser Tour greifen wir ausnahmsweise auf die Plattform GetYourGuide zurück. Dort kann man gezielt auswählen, welche Leistungen enthalten sind, und uns ist besonders wichtig, dass der Anbieter auch Ian akzeptiert. Wir werden fündig, und gegen 13:30 Uhr werden wir vor unserem Hotel von Chang, unserem Reiseleiter, abgeholt. Der Bus, in den wir einsteigen, wirkt etwas skurril – ein kleines Gefährt mit knapp 20 Sitzplätzen, die sich im Laufe unserer Einsammelrunde auch alle füllen. Chang stammt selbst aus Siem Reap und kennt die Region bestens, sodass die halbstündige Fahrt zum See schnell vergeht. Am „Regenzeit-Ufer“, wo die asphaltierte Straße endet und in eine Sandpiste übergeht, machen wir einen kurzen Halt. Während wir die Gelegenheit für eine Toilettenpause und einen Blick auf einige Verkaufsstände nutzen, informiert uns Chang über eine unvorhergesehene Verzögerung: Es hatte heute Morgen – für die Jahreszeit ungewöhnlich – geregnet, wodurch die auf einem Damm verlaufende Piste rutschig geworden ist. Nun muss erst geklärt werden, ob die Busse sie sicher passieren können. Nach einigen bangen Minuten gibt die Zentrale grünes Licht, und wir rumpeln weiter nach Kampong Phluk. In der letzten Reihe sitzend, spüren wir bei jeder Bodenwelle, wie unser Bus leicht ins Rutschen gerät – ein nicht gerade beruhigendes Gefühl, wenn man bedenkt, dass der Damm mehrere Meter über dem Umland liegt. Sicherheitsgurte? Die gibt es in Kambodscha ohnehin nicht.

Glücklicherweise kommen wir unversehrt an und steigen aus. Chang kündigt an, dass er uns nun etwa eine Stunde zu Fuß durch das Dorf führen wird. Dabei erhalten wir faszinierende Einblicke in den Alltag der Bewohner: Die eigentlichen Wohnräume befinden sich mehrere Meter über uns auf Stelzen, doch die Menschen nutzen sie nur zum Schlafen. Mindestens während der Trockenzeit spielt sich das Leben unten ab – hier wird Fisch ausgenommen und getrocknet, Essen zubereitet und sogar der Schulunterricht abgehalten. Alles geschieht offen und ist für uns als Besucher gut zu beobachten. Ebenso neugierig wie wir sind auch einige Dorfbewohner, vor allem die Kinder. Viel passiert hier nicht, abgesehen vom gelegentlichen Besuch der Touristen. Die Zeit vergeht wie im Flug, und schließlich haben wir die Siedlung mit ihren rund 850 Familien durchquert und erreichen den Fluss, der in den Tonle-Sap-See mündet.

Hier steigen wir in ein Boot, das uns mit halsbrecherischer Geschwindigkeit durch einige Flussbiegungen hinaus auf den See bringt. Unterwegs passieren wir Fischerboote und legen schließlich an einem schwimmenden Restaurant an. Wer möchte, kann hier ein Abendessen genießen – wir verzichten jedoch und genießen lieber die Aussicht. Unter Deck entdecken wir eine Überraschung: In winzigen Käfigen werden drei im See heimische Süßwasserkrokodile gehalten. Eines davon ist bereits ausgewachsen, das zweite erst ein Jahr alt. Der Gedanke, dass solche Tiere gerade buchstäblich unter unseren Füßen schwimmen könnten, ist nicht gerade beruhigend…

Nach einer kurzen Pause auf dem Restaurantschiff und dem Warten auf den Sonnenuntergang – der wegen einiger Wolken leider weniger spektakulär ausfällt als erhofft – bringt uns der Kapitän zurück ans Ufer. Dort steigen wir wieder in unseren Bus, der uns nach Siem Reap zurückfährt. Chang bedankt sich herzlich bei uns und betont, wie glücklich er sei, dass wir uns für sein Land und seine Kultur interessieren. Er fordert uns auf, die Kunde vom gastfreundlichen, oft unterschätzten Kambodscha in die Welt zu tragen. Und das will ich gerne tun: Nicht nur Chang, sondern alle, vom Hotelpersonal bis zu den allgegenwärtigen Tuk-Tuk-Fahrern, waren ausnahmslos freundlich – wenn nicht sogar gelegentlich fast unterwürfig. Wir haben großartig und gleichzeitig unfassbar günstig gegessen, und ich für meinen Teil habe diesen kleinen Ausschnitt von Kambodscha sehr zu schätzen gelernt!

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