Keine Cava Grande, dafür Archimedes

Auch für heute sagt der Wetterbericht eher mittelprächtiges Wetter voraus, so dass wir erneut eine kleine Wanderung in Angriff nehmen. War die Landschaft im Südosten Siziliens eher flach und von Obstbaumplantagen gezeichnet, so türmen sich ab Noto in nördliche Richtung blickend wieder fast senkrechte Felswände vor uns auf. Diese Kalksteineformation, ein Ausläufer des Monte Iblei, wurde vom Fluss Cassibile auf einer Länge von 10 Kilometern fast 250 Meter tief eingschnitten. Es ist nicht ganz der Grand Canyon, aber es ist ein Canyon, und er ist gewissermaßen grande.

Mit dem Wohnmobil schrauben wir uns Serpentinen empor, die Alpe d’Huez in den Schatten stellen würden, und kommen auf einem überraschend bewohnten Hochplateau an. Leider zeichnet sich schon am Horizont ab, was der Wetterdienst prophezeit hatte – und zwar nicht zu knapp. Drohend schwarze Wolken ziehen von Nordwest über das Meer auf die Insel zu, und es ist im Moment noch nicht abzusehen, wie sie sich verhalten werden, wenn sie auf Land treffen. Wir biegen auf den „offiziellen“ Parkplatz des Canyons ein und werden gleich von einem alten Mann zur Kasse gebeten: 6€ für das Wohnmobil, zum parken bitte durch das Tor.

Der Mann nutzt eine Masche, die wir insbesondere hier auf Sizilien schon öfter beobachten konnten: Die Leute haben einen privaten Parkplatz in der Nähe einer Sehenswürdigkeit, und sie stellen ganz ungeniert Schilder auf, die suggerieren, dass es sich bei ihrem Parkplatz um einen in irgendeiner Form autorisierten Platz handeln würde. Manchmal stellen sich sogar Menschen mit Warnwesten auf die Straße und winken jedes ankommende Fahrzeug auf den Parkplatz, so wie es bei uns zum Beispiel die Einweiser auf Messeparkplätzen, beim Fußball oder bei Konzerten tun.

Was soll’s, irgendwo muss die Kiste ja hin, und wir tasten uns vorsichtig an den Rand des Geländeeinschnitts. Ja, 250 Meter Tiefe kommen hin, und zwar gefühlt senkrecht nach unten. Dort sehen wir die türkisfarbenen Katarakte und Pools, die der Cassibile geformt hat. Hinunter (und später wieder hinauf) führt ein in den Hang gehauener Serpentinenweg, der mehr aus Treppenstufen als aus schiefer Ebene besteht.

Um es kurz zu machen: Der Weg nach unten ist verdammt steil, wenige Kilometer entfernt zieht ein Gewitter auf, das sich gewaschen hat, und in der Gesamtschau packen wir unsere Sachen, schreiben die 6€ ab und winden uns mittelmäßig enttäuscht wieder nach unten, Syrakus entgegen.

Diese Wirkungsstätte von Archimedes können wir natürlich nicht links liegen lassen wie die Cava Grande oder das Valle del Templi (was sind schon Schluchten und Tempel gegen Archiedes?), und so parken wir flugs direkt neben den antiken griechischen Theater, gleich vor einem nur Archimedes gewidmeten Freilichtmuseum. Hier treffen wir Giovanna, eine fröhliche, unheimlich engagierte Führerin, die uns mit viel Charme und Witz die 25 größten Erfindungen von Archimedes näherbringt, garniert mit einer Prise Geschichtsunterricht über das Leben und Sterben des Archimedes. Leider kommen viele der Erklärungen für Nele eigentlich ein paar Jahre zu früh, aber Hebelgesetze und den Zusammenhang zwischen Oberfläche, Volumen und Dichte kann man ja auch nicht früh genug lernen!

Der Parkplatz, in unserem Reiseführer noch als „recht ruhig“ beschrieben, erweist sich als das Gegenteil, aber dafür dürfen wir für’s reine Rumstehen über Nacht immerhin 25€ bezahlen – was sind die Parkplatzwächter nicht zuvorkommend… Trotzdem: Der Platz besticht durch seine Lage direkt an den antiken Ausgrabungsstätten, die dann für morgen auf dem Plan stehen.

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