Chiang Rai – der blaue Tempel

Mit dem Besuch der Sticky Waterfalls endet unser Freizeit- und Ausflugsprogramm in Chiang Mai – nicht jedoch unsere Reise durch Nordthailand. Etwa 180 Kilometer nordöstlich, was rund dreieinhalb Stunden Autofahrt bedeutet, liegt Chiang Rai, die Schwesterstadt von Chiang Mai. Beide gehörten einst zum historischen Lanna-Königreich (13. bis 18. Jahrhundert), das eine eigenständige kulturelle Identität mit eigener Sprache, Kunst und Architektur prägte. Chiang Mai war die Hauptstadt dieses Reichs, während Chiang Rai als die ältere Schwester gilt: Gegründet wurde sie 1262 von König Mengrai, der später – im Jahr 1296 – auch Chiang Mai ins Leben rief.

Die Fahrt durch die bergige Landschaft ist für die Mitfahrenden weniger angenehm als für den Fahrer: Die gut ausgebaute, aber kurvenreiche Straße schlängelt sich durch den Norden Thailands, ohne dass nennenswerte touristische Stopps entlang der Route lägen. So erreichen wir unsere Unterkunft – diesmal eine einfache Bleibe ohne Pool – recht zügig. Zu zügig, wie sich herausstellt: Der Check-in ist erst ab 14 Uhr möglich. Das macht aber gar nichts, denn „Anna’s Haus“, schlicht und freundlich gehalten, liegt ganz in der Nähe einer der außergewöhnlichsten Sehenswürdigkeiten Chiang Rais – dem Blauen Tempel.

Der Wat Rong Suea Ten, übersetzt „Tempel des tanzenden Tigers“, befindet sich im Rimkok-Distrikt etwas außerhalb des Stadtzentrums. Der poetische Name geht auf eine Legende zurück, der zufolge einst wilde Tiger über das verlassene Tempelgelände streiften. Die heutige Anlage wurde ab 2005 unter der Leitung von Putha Kabkaew errichtet, einem Schüler des bekannten Künstlers Chalermchai Kositpipat – dem Schöpfer des Weißen Tempels Wat Rong Khun, über den später mehr. Die Haupthalle wurde 2016 fertiggestellt; kleinere Arbeiten dauern bis heute an. Das verleiht dem Tempel eine lebendige, fast unfertige Atmosphäre – nicht im Sinne von „baustellig“, sondern im besten Sinn: wachsend, im Fluss.

Der Blaue Tempel ist einer der Hauptgründe für unseren Abstecher nach Chiang Rai, und so steuern wir ihn direkt an. Einen Parkplatz finden wir – für deutsche Verhältnisse fast absurd – unmittelbar vor dem Tempeleingang. Kostenlos, versteht sich. Auch der Zugang zur Anlage ist frei, ohne aufdringliche Spendenaufrufe. Der Eintritt ins kleine Museum kostet etwa 50 Baht – für uns ein unschlagbar günstiges Kulturerlebnis. Was den Wat Rong Suea Ten so besonders macht, ist seine spektakuläre Farbgebung: Leuchtendes Blau dominiert die gesamte Anlage, akzentuiert mit goldenen Verzierungen, die im Sonnenlicht glänzen. Schon der Eingang mit zwei gewaltigen Naga-Schlangenfiguren zieht uns in den Bann. Und im Inneren des Ubosot – der Ordinationshalle – wartet ein fast surrealer Anblick: Ein riesiger weißer Buddha sitzt still inmitten eines tiefblauen Raums, umgeben von goldenen Mustern und feinen Wandmalereien.

Wir haben auf dieser Reise schon viele Tempel gesehen – aber dieser hier übertrifft sie alle an Detailreichtum und kunsthandwerklicher Raffinesse. Auch außerhalb der Halle gibt es unzählige Figuren und Ornamente zu entdecken, alle in Blau und Gold gehalten, präzise gearbeitet und kunstvoll arrangiert. Obwohl das Tempelgelände nicht groß ist, verbringen wir mehrere Stunden dort – schlicht, weil es so viel zu sehen gibt. Das angeschlossene Museum wirkt noch etwas unausgereift, aber auch das passt: Die gesamte Anlage ist im Entstehen begriffen. Kein fertiger Monumentalbau, sondern ein lebendiger, atmender Ort.

Nach diesem kulturellen Höhepunkt beziehen wir schließlich unser Zimmer in „Anna’s Haus“ und machen uns nach einem kleinen Spaziergang durch die angrenzenden Reisfelder auf den Weg in die Innenstadt. Dort wartet der Nachtmarkt – entspannt, stimmungsvoll, begleitet von Musik und traditionellen Tanzdarbietungen. Genau dort nehmen wir auch unser Abendessen ein. Den Schlusspunkt setzt die Lichtshow am zentralen Uhrturm von Chiang Rai – einem der kunstvollsten Zeitmesser, die wir je gesehen haben.

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