Die Zeit ist gekommen. Ein letztes, wie immer phänomenales Frühstück mit allem, was der Gaumen begehrt, dann müssen wir unser kleines, aber feines Zimmer im 11. Stock räumen. Kaum in der Lobby angekommen, springt das Personal herbei, schnappt unser Gepäck und verfrachtet es auf Rollwagen – effizient wie immer.
Für unsere nächste Etappe hatten wir uns etwas Besonderes überlegt: Natürlich könnte man die rund 400 Kilometer nach Angkor Wat mit AirAsia fliegen, aber in Deutschland würde für diese Distanz wohl niemand ins Flugzeug steigen. Also hatte ich bereits von Erkrath aus über 12Go Asia einen privaten Autotransfer gebucht – für etwa 150 Euro, inklusive Hotel-zu-Hotel-Service und günstiger als ein Flug.
Zur Sicherheit hatte ich am Vortag noch einmal beim Transportunternehmen nachgefragt und die Bestätigung erhalten, dass alles planmäßig läuft. Trotzdem stehen wir um 9 Uhr morgens ohne Fahrer in der Lobby. Ungewöhnlich, denn hier sind die Fahrer sonst immer zu früh. Nach einer Viertelstunde Wartezeit schreibe ich dem Unternehmen per WhatsApp – der Fahrer sei angeblich schon da. Ein Gerücht, wie ich finde, denn die Hotelpagen hatten sich bereit erklärt, uns mit ihm zusammenzuführen. Eine halbe Stunde Unsicherheit vergeht, in der ich bereits Flugalternativen für den Tag prüfe. Gerade als ich erneut anrufen will, winkt mich ein Page heran: Ein Minibus nach Kambodscha ist vorgefahren!
Erleichtert verladen wir unser Gepäck und nehmen Platz – allein in einem luxuriösen Neunsitzer mit Ledersitzen und goldenen Verzierungen. So macht Reisen Spaß, auch wenn die thailändische Fernstraße Richtung Kambodscha zu wünschen übrig lässt. Private Minibusse wären bei uns unbezahlbar, hier ist das erschwinglich. Einziger Wermutstropfen: Laut 12Go sollen wir erst um 18 Uhr ankommen – neun Stunden für 400 Kilometer? Ich bin skeptisch, und tatsächlich erreichen wir die Grenze in Poipet erst gegen 14 Uhr nach gut vier Stunden Fahrt.
Hier wird es spannend. Wir halten vor einem improvisierten Grenzposten, und mehrere Männer umringen unser Auto. Ein freundlicher junger Mann erklärt uns, dass unser Minibus nicht über die Grenze darf, und diese Gruppe werde nun unseren Grenzübertritt organisieren. Unser Gepäck landet auf einem Handkarren, und als der Träger – in Khaki-Uniform – gerade losmarschieren will, ruft er uns zu, dass er für seine Dienste gern 10 US-Dollar hätte. Der wohl teuerste Kofferträger aller Zeiten. Doch die Situation ist unübersichtlich, und wir wollen keine unnötigen Risiken eingehen. Gedanken an mögliche Funde von dritten platzierter Drogen in unserem Gepäck verdränge ich lieber.
Unser Begleiter führt uns zur thailändischen Passkontrolle, wo wir ohne Probleme ausreisen. Kurz darauf stehen wir im Niemandsland – jetzt folgt der kompliziertere Teil: die Einreise nach Kambodscha. Auch hier hilft uns unser “Guide” und begleitet uns ins Büro der Grenzbeamten. Dank unserer zuvor online beantragten Visa können wir den Prozess etwas abkürzen. Dennoch müssen wir eine weitere Einreisekarte ausfüllen – gefühlt zum fünften Mal trage ich unsere Daten, Berufe, Reisezweck und Unterkunft ein.
An der Passkontrolle beweist ein Grenzbeamter ein wachsames, aber auch mitfühlendes Auge: Er entdeckt unsere Kinder, lotst uns an der Schlange vorbei und positioniert uns direkt an vorderster Stelle. Präzise weist er jedem Wartenden seinen Platz zu und bestimmt, wer an welchem Schalter vorzutreten hat. Die kambodschanischen Beamten sind freundlich, aber es ist klar, dass man sich hier keine Eigenmächtigkeiten erlauben sollte.
Unsere Daten erscheinen auf den Monitoren, die bereits die online übermittelten Passfotos anzeigen. Erneut müssen wir biometrische Aufnahmen machen (Brille ab, nicht lächeln), und bei den Erwachsenen werden zusätzlich die Daumenabdrücke gescannt – eine herzliche Begrüßung sieht anders aus. Aber gut, wir erhalten unsere Einreisestempel: Willkommen in Kambodscha!
Draußen treffen wir auf die Truppe, die unseren Grenzübertritt organisiert hat – und unser Gepäck ist ebenfalls da. Ob mit oder ohne Schmuggelware, werden wir wohl nie erfahren. Unser Fahrer für die kambodschanische Teilstrecke wartet bereits in einem abgehalfterten Kombi. Er spricht kein Wort Englisch, und mein Internetzugang funktioniert noch nicht. Das ändern wir als Erstes: “SIM-Card! SIM-Card!” versteht er zum Glück, und wir halten an einem Straßenstand. Ohne genau zu wissen, wie viel Datenvolumen ich bekomme, kaufe ich eine SIM-Karte – für ein paar Euro ist mir das egal.
Dann geht es weiter – auf sehr, sehr schlechten Straßen in einem sehr alten Auto. Links und rechts liegt überall Müll, und ich beginne zu zweifeln, ob Kambodscha eine gute Idee war. Doch ich kenne mich: Am Ankunftstag ist alles ungewohnt, und oft habe ich genau dann diese Zweifel. Bisher haben sie sich immer in Luft aufgelöst.

Und so ist es auch diesmal: Je näher wir Siem Reap kommen, desto ordentlicher wirkt die Gegend. Zwischendurch erinnert mich die Landschaft an Mitteleuropa im Spätsommer – warum sind wir dann überhaupt so weit gereist? Wir erreichen unser Ziel pünktlich um 18 Uhr, erschöpft, aber heil – auch wenn Ian als Einziger auf der Rückbank einen Sicherheitsgurt hatte.
Als wir unser Hotel betreten, lösen sich die letzten Zweifel endgültig auf. Über eine Brücke, unter der unzählige Koi schwimmen, betreten wir eine eindrucksvolle Empfangshalle. Die Wände sind mit kunstvollen Holzschnitzereien aus schwerem Tropenholz verziert, die Möbel aus dunklem Massivholz. Eine junge Frau in feinem Seidenkostüm begrüßt uns in perfektem Englisch und heißt uns herzlich willkommen. Eine weitere, ebenfalls in Seide gewandete Dame reicht uns gekühlte Getränke und duftende, feuchte Tücher zur Erfrischung. Nach dem Check.-In betreten wir unser großes, klimatisiertes Familienzimmer und legen die Füße hoch – auf himmlisch guten Matratzen.
Zum Abendessen in einem kleinen Lokal nahe unseres Hotels erwartet uns dann die letzte Überraschung des Tages, nämlich die Speisekarte. Genauer gesagt: die Preise, die darin in der Parallelwährung US-$ aufgerufen werden. Wir vergnügen uns gern bei einem kalten „Angkor“-Bier und einer Portion „Amok“ – Willkommen in Kambodscha!
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