Il Mongibello

Der Berg der Berge, Europas höchster und aktivster Vulkan, Schreckensbringer und Quelle von Nahrung und Wohlstand zugleich, präsentiert sich uns… schweigend. Seit Wochen beobachte ich die seismische Aktivität am Ätna, aber er hat sich entschieden, vorerst in eine Ruhephase einzutreten und praktisch erloschen zu erscheinen. Wir können ihn von unserem Campingplatz aus hervorragend beobachten, gerade im Gegenlicht der hinter ihm untergehenden Sonne kann man am Gipfelkrater einige Qualmwolken erkennen:

Insgesamt ist das Wetter nicht so ganz berauschend; Schnell bilden sich um den Gipfel dichte Wolken, die sich aber am Morgen und am Abend auch wieder aufzulösen scheinen. Beim Einstellen der Kamera für eine Nachtaufnahme begegnet mir – ein reiner „Glücksschuss“ – ein Zug einzelner Starlink-Satelliten, aufgereiht wie an einer Perlenkette. Sie müssen gerade wenige Stunden vorher von einer Falcon-Rakete von Elon Musk an der amerkianischen Ostküste gestartet worden sein, sonst wären sie nicht so in Formation geflogen. Im Bild oben sind sie nur als langer Strich zu sehen, der Belichtungszeit wegen.

Die Wettervorhersage sieht am Morgen gut aus, und wir stehen mit einem Wecker auf. Schnell rödeln wir unser Wohnmobil auf, kaufen bei Lidl ein paar Brötchen und haben gegen 9 Uhr schon die Höhe von etwa 1500 Metern erreicht. Hier machen wir eine kurze Frühstückspause mit Blick auf die Gipfelkrater, bevor wir die letzten 500 Höhenmeter in Angriff nehmen.

Oben, an der Talstation der Seilbahn angekommen, macht sich Ernüchterung breit. Es haben sich bereits wieder Wolken gebildet, und die Seilbahn, die uns die nächsten 500 Höhenmeter hätte hochbringen können, verschwindet im Nebel. Unter diesen Voraussetzungen ist es nicht sinnvoll, die 130€ für die ganze Familie zu zahlen, nur, um oben im Nebel herumzustochern. Wir planen um und besichtigen am Fuße der Seilbahn die beiden Crateri Silvestri, die bei einem Ausbruch 1892 entstanden sind, Diese beiden Krater sind einfach zu begehen, man kann leicht den Kraterboden erreichen und selbst hier werden wir schon von den Wolken immer wieder eingeschlossen. Insgesamt ein netter Spaziergang, aber auch nicht mehr.

Beim gegenwärtigen Aktivitätsniveau ist die maximal erreichbare Höhe auf knapp 3000 Meter festgelegt, man hätte also auch beim besten Willen, auch mit Vulkanologen-Bergführer und dann für 300€ pro Person (+ 50€ Seilbahn!) keinen Weg zum Gipfelkrater nehmen können und dürfen – und wenn, dann hätte man auch dort keine Lava sehen können. Insgesamt reicht uns der Ausflug dann nach etwa zwei Stunden Spaziergang, und wir lassen die Bremsen auf den folgenden 2000 Höhenmetern Abstieg so richtig glühen.

Statt der Gipfeltour nutzen wir die Zeit, um noch einen Abstecher in die Alcantara-Schlucht zu machen. Diese liegt auf der Nordseite des Berges und besteht aus dem namensgebenden Fluss, der sich durch einen alten Lavastrom gefressen hat. Vor Ort angekommen beobachten wir erneut etwas typisch italienisches: Ein riesiges Schild weist uns den Weg zu einem Parkplatz, ein Einweiser dirigiert uns (diesmal ohne Warnweste) und drückt uns einen Flyer des örtlichen Vergnügungsbetriebes in die Hand. Hier könnten wir wählen zwischen der einfachen Schuchtbesichtigung, einem Spaziergang durch einen botanischen Garten + Schlucht, Rafting etc. pp. Ein klassischer Touristenbetrieb eben. Das wäre auch nicht schlimm, würden sie nicht suggerieren, dass man nur bei ihnen mit ihrem Aufzug für 9€ pro Erwachsenem in die Schlucht hinabfahren könnte..

Kann man aber nicht.

Etwa 100 Meter weiter die Straße hinab findet sich nämlich die kommunale Treppe, die zur exakt gleichen Schlucht führt, nur eben per Treppe statt Aufzug, und für nur 1,50€ pro Person. Ähnliches finden wir auch an vielen Stränden und haben solches auch schon in früheren Besuchen in Italien erlebt: Privatisierte Naturerlebnisse (auch: Wälder und Strände), bei denen erst auf den zweiten oder dritten Blick ein qualitativ stark schwankender kommunaler Besuch möglich ist. Sehr ungewohnt und ärgerlich, so etwas.

Wir lassen uns nicht beirren, gehen die Treppe hinab und bestaunen die Schlucht. Der Fluss Alcantara ist im Gegensatz zu den tollen Bildern im Netz schmutzig-grau, was aber an der Schneeschmelze am Ätna liegt. Es handelt sich bei den Eintrübungen um eine Art Gletschermilch, also Sedimente, die vom geschmolzenen Wasser mitgenommen werden. Eindrucksvoll in der Schlucht sind vor allem die hexagonalen Basaltsäulen, die es nur etwa einhundert Mal auf der ganzen Erde gibt, am bekanntesten wohl der Giant’s Causeway in Irland. Das Wasser ist, wie beim Stichwort Schneeschmelze nicht anders zu erwarten, eiskalt, aber nach ein paar Minuten gewöhnt man sich daran, bis zu den Oberschenkeln darin zu stehen. Eine Schulklasse, die zeitgleich mit uns in der Schlucht ist, steigert ihre pubertären Mutproben so weit, dass sie letztlich reihenweise ins kalte Nass springen, aber dafür sind wir entschieden zu alt.

Als langsam der Abend hereinbricht steigen wir die 50 Höhenmeter ohne Aufzug wieder hoch und wenden uns unserer heimischen Pizzeria zu. Erwähnte ich, dass die in Thailand verlorenen Kilo schnell wieder drauf sind?

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