Krabi

Die fünf Nächte in der Siam Residence vergehen wie im Fluge, und die Zeit auf Ko Samui neigt sich schnell dem Ende zu. Ein wenig bedauern wir, dass wir die vielgerühmte Walking Street von Bo Phut nicht haben mitnehmen können, aber andere Städte haben auch schöne Nachtmärkte, wie wir in Bälde feststellen werden. Je länger wir uns in Thailand aufhalten, desto geschickter werden wir darin, im besten Sinne preiswerte Angebote aufzuspüren. Haben wir ganz, ganz am Anfang unserer Reise noch im Phuketer Anlogon zur Schinkenstraße auf Mallorca eine Pizza gegessen, sitzen wir mittlerweile wie selbstverständlich in an der Landstraße gelegenen Garküchen-Supermarkt-Chimären und probieren uns durch das von alten, hutzeligen Frauen vor unseren Augen zubereitete Thai-Sortiment. Einzig Nele will und kann sich nicht von der Thai-Küche überzeugen lassen und isst im Wechsel Nudeln mir Tomatensauce oder Pommes…

Wir verlassen also unser Hotel, nicht aber, ohne noch einen besonderen Gruß der Zimmermädchen zu erhalten. Ich schrieb es an der einen oder anderen Stelle schon, und es ist ein Stereotyp über Thai, aber die Höflichkeit, Freundlichkeit und insbesondere Kinderzugewandtheit ist für uns jedes Mal auf’s Neue überraschend und eindrucksvoll.

Und das, bevor (!) wir irgendwelches Trinkgeld hinterlassen haben.

Die Abreise verläuft im Wesentlichen so, wie auch die Anreise verlaufen war. Das Fährterminal in Lipa Noi begrüßt uns mit riesigen Schweröl-Rußwolken und eine Seatran-Fähre nimmt uns mit zurück nach Donsak. Von hier aus geht es auf dem Highway 44 etwa zwei Stunden lang durch die Ebene, bevor sich schließlich die Kalkfelsen der Phang Nga-Bucht am Horizont erheben.

Wir halten uns links und fahren in Richtung Ao Nang, nahe der Provinzhauptstadt Krabi, wo wir für weitere sieben Nächte bleiben werden. Ao Nang ist ein touristisch erschlossener Ort und so etwas wie der Strandort von Krabi, das eine knappe halbe Autostunde weiter im Hinterland liegt. Bei unserer Ankunft gegen 17 Uhr sind wir arg ernüchtert ob des Anblickes, der sich uns bietet: Der bekannte Strand von Ao Nang, an den man von Deutschland aus zum Beispiel ganz problemlos pauschal mit TUI fliegen kann, gleicht beim flüchtigen Blick aus dem Autofenster einem eher dreckigem, brackigem Matsch als einem thailändischen Traumstrand. Und an diesem Strand sollen wir eine Woche verbringen? Ein abendlicher Blick auf die Landkarte verheißt zum Glück auch dicht liegende Alternativen, die sich dank unseres Autos gut erschließen lassen sollten.

Nach der ersten Nacht auf unglaublich harten Matratzen packen wir, wie immer vorsichtig optimistisch, unsere Sachen und machen uns auf den Weg zum Strand – und werden tatsächlich positiv überrascht. Jetzt, wo Flut ist, sieht das alles gar nicht mehr so wild aus, und dank der Anwesenheit einer Familie aus Österreich hat Nele dann auch endlich einmal wieder ein gleichaltriges Mädchen, mit dem sie spielen kann. Am Südende des Strandes von Ao Nang findet sich der Monkey Trail, ein Trampelpfad zu einem weiteren, noch etwas abseits gelegeneren Strand. Wir verzichten vorerst auf dessen Besuch, freuen uns aber über die possierlichen Namensgeber des Weges – mit Makaken kennen wir uns ja langsam aus, und diese hier sind eher zutraulich als aggressiv. Die Viecher in Phuket waren wohl wirklich einfach nur verzogen und waren nicht representativ für ihre weiteren Artgenossen. Bei Ebbe verwandelt sich die Bucht wieder in das matschige Wattenmeer, das uns bei unserer Anreise so ernüchtert hatte, aber heute können wir daas mit ganz anderen Augen sehen und freuen uns darüber, im Stile einer Wattwanderung zu einigen vorgelagerten Inseln spazieren zu können, inclusive Schwimmeinlage am Ende. Durch die geringe Wassertiefe ist das Wasser der Bucht beinahe unerträglich warm: Man steht bis zur Hüfte im Wasser, und der Schweiß läuft einem in Bächen von der Stirn. Wir schätzen die Temperatur auf Grundlage meiner Daten vom Tauchen an der Oberfläche auf über 35°C – da ist nicht mehr viel mit „Abkühlung“.

Da wir gerade am Wochenende angekommen sind, nutzen wir gleich am Abend die Gelegenheit eines Besuchs der Krabi Walking Street. Was uns in Bo Phut noch verwehrt blieb, davon können wir hier aus dem Vollen schöpfen: Unzählige kleine bis mittelgroße Marktstände, die mit einem insgesamt gigantischen Personalaufwand alles verkaufen, was das (Touristen?)herz begehrt. Neben einer großen Auswahl an – dem Augenschein nach häufig authentischen und nicht aus Chinesium bestehenden – Souvenirs und auch weniger authentischer Kleidung wirkt das hier wie das Epizentrum aller Streetfood-Märkte. Zig-, wenn nicht hundert Stände brutzeln, garen, dünsten, grillen, hacken, flämmen, und pochieren alles, was sich jemals auf Null bis 1000 Füßen bewegt hat oder was jemals im Leben eine Wurzel hatte. Und Flossen! Alles, wirklich alles, was im Wasser zu finden ist, von der einfachen Molluske über Kopffüßler bis hin zum Pfeilschwanzkrebs (ja, genau die! Leben seit dem Ordovizium auf der Erde, nur um jetzt im heißen Fett zu landen!) Faszinierend auch, wie hier Röstaromen gezaubert werden: An jedem Stand eine Armada von Lötlampen, und wenn Antjes Käsekartoffel noch nicht braun genug ist, gibt’s eine Extra-Kruste aus der Gaskartusche – nicht, ohne vorher mit einer Stichflamme fast den Marktstand abzufackeln. Dass alles, was frittiert wird, in große, auf Gasbrennern stehenden Woks mit mehreren Dekalitern heißem Frittieröl geworfen wird, erübrigt sich da fast zu sagen. Keine Berufsgenossenschaft der Welt kann das hier abnehmen!

Leider habe ich die ganze „Pracht“ noch nicht so fotografisch festhalten können, wie ich mir das gewünsch hatte und wie es der Sache angemessen war. Ich werde es in den nächsten Tagen erneut probieren, aber dazu muss ich einfach einmal satt und ausgeruht dorthin gehen. Ich bin, und das ist wirklich selten, überfordert geweisen, alles das abzulichten, was mir wichtig gewesen ist. Zu vielfältig die Eindrücke, zu überladen der Kopf.

Das Prinzip ist einfach: Man sammelt sich an den verschiedenen Ständen seiner Wahl das ein, was man gern zu Essen hätte, zahlt einen jeweils lächerlich geringen Betrag irgendwo zwischen 20 und 100 Baht, also 50 Cent bis 2,50 Euro und versucht, irgendwo in der Mitte des großen Platzes einen Tisch zu ergattern. In der Nähe ist noch eine große Bühne aufgebaut, auf der einheimische Kinder oder Amateure Folklore darbieten, das Spektrum reicht vom klassischen thailändischen Tanztheater über furchtbar schräg interpretierte westliche Musik bis hin zu Breakdance-Acts. Die ganze Atmosphäre ist einzigartig, überwältigend, die Sinne überladend und in der Heimat so nicht vorstellbar. Ja, auch bei uns zu Haus gibt es Streetfood-Festivals, aber keiner der dort üblicherweise tätigen bärtigen, schwarz behandschuhten Burgerbrater mit Schiebermütze würde so arbeiten wie die Standbetreiber hier. Und ich glaube auch, dass sich auf eine deutsche Bühne kein Hobbykünstler trauen würde, der so unterirdische „Leistungen“ erbringt wie die von uns bestaunten.

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