Auf dem Cheow Lan

Für den heutigen Tag haben wir uns einer geführten Nationalparktour angeschlossen. Man darf den Dschungel zwar auch allein betreten, doch ist auf diese Weise das Befahren des Sees schwierig. Gerade dieser jedoch ist das zentrale Element des Parkes und ein Besuch ohne See ist kein richtiger Besuch. Nach einem hinsichtlich der Auswahl bescheidenen, hinsichtlich der Atmosphäre aber grandiosen Frühstück am Fluss werden wir von einem Fahrer in einem Mini-Bus abgeholt. Neben uns nehmen noch vier Dänen und zwei weitere Deutsche im Bus Platz. Thong, unser Parkführer für diesen Tag, muss schon in einem weiteren Fahrzeug sitzen, weil für ihn hier kein Platz ist. Das gilt dann leider auch wieder für unseren Jüngsten, auch für den ist kein Platz im eigentlichen Sinne. Obwohl mittlerweile auch in Thailand Kindersitzpflicht herrscht, haben wir hier noch niemanden gefunden, der sich auch nur einen Deut darum schert. Die Kleinsten sitzen in und auf allen möglichen und unmöglichen fahrbaren Untersätzen, meist „gesichert“ durch einen Arm eines Erwachsenen oder einfach, indem sie wie die Wurst in einem Sandwich zwischen die Erwachsenen gequetscht werden. Für uns ist das maximal befremdlich, weil doch gerade die ganz Kleinen nach unserem Empfinden besonderen Schutz benötigen. Das Problem ist: Wenn man an dieser Stelle auf eine unser Sicherheitsbedürfnis befriedigende Lösung besteht, ist die einzige angebotene das nicht mitfahren. Wir hätten im Auto ja sogar eine Babyschale gehabt, aber ein Platz für diese wird, genau wie in Dubai, gar nicht erst mitgedacht.

Luftbild eines Teils des Cheow Lan, ⓒ khaosok.com

So schrauben wir uns also mit einem mulmigen Gefühl durch die engen Kurven dem Cheow Lan entgegen. Startpunkt aller Touren in den Park ist der Ratchaprapha-Staudamm, 1982 errichtet mit dem Ziel, mit dem See die Wasserverfügbarkeit für die Landwirtschaft zu verstetigen; Gleichzeitig sind Turbinen zur Stromgewinnung installiert worden. An diesem Damm am Ostende des Sees beginnen an einem trubeligen Pier alle Touren – und es sind viele! Einige Gäste nutzen auf dem See schwimmende Hütten als Mehrtagesunterkunft, dies kam aber für uns der Kinder wegen nicht infrage. Zu mühsam wäre das ständige Hinterherlaufen auf den Thai-typisch nicht abgesicherten Pontons. Immerhin krabbelt Ian mittlerweile ziemlich zügig.

Ein Big-Tail-Boot fährt unsere Reisegruppe zunächst etwa 45 Minuten lang in westlicher Richtung über den See. Dessen Morphologie fasziniert: Wir gleiten durch eine Reihe von Inseln, die aus den umliegenden Kalksteinfelsen senkrecht empor ragen. Diese Felsen haben eine einzigartige Form und sind mit dichtem Dschungel bedeckt. Viele von ihnen haben auch Höhlen und Unterwasserhöhlen, die man erkunden kann. Der See selbst hat eine maximale Tiefe von etwa 90 Metern und eine durchschnittliche Tiefe von 25 Metern, und seine Wasserqualität ist ausgezeichnet, was zu einer reichen Tier- und Pflanzenwelt führt. Es gibt eine Vielzahl von Fischarten im See, darunter Barramundi, Große Schlangenkopffische, Rohu, Tilapia und große Karpfenartige. Die Ufer des Sees sind von üppigem Grün umgeben und bieten Lebensraum für eine Vielzahl von Tieren wie Affen, Elefanten, Tapire, Otter und Wildschweine.

Nach einer durch Schatten und Fahrtwind erfrischenden und insgesamt ausgesprochen vergnüglichen Fahrt schiebt unser Kapitän das Boot auf einen hellgelben Sandstrand, und Thong bittet uns alle von Bord. Wir liegen in der Nähe eines etwa eineinhalb Kilometer langen Dschungellehrpfades; Von diesen sind im gesamten Park mehrere angelegt, damit sich die Besucher verteilen und sich nicht auf einem Pfad gegenseitig auf den Füssen stehen. Es ist mittlerweile Mittag, und die Sonne brennt bei etwa 35°C erbarmungslos. Thong erklärt, dass es in einem Monat noch einmal gut 5°C wärmer werden wird, und das wäre dann selbst ihm zuviel. Zum Glück können wir nach knapp 100 Metern in den Wald eintauchen und uns unter dem grünen Dach wieder vor der Sonne schützen. Der Lehrpfad zeigt die wesentlichen Merkmale des Waldes an ausgewählten Exponaten: Gigantische Bambuspflanzen, die in ihren Rohren Wasser speichern, oberirdisch wurzelnde Urwaldgiganten, glucksende Bäche. Thong leistet seinen ganz eigenen Beitrag, indem er kunstvoll aus Blättern Kopfbedeckungen bastelt, Armreifen aus Schlingpflanzen herstellt, uns auf Lianen-Schaukeln setzt. Er macht wirklich den Eindruck, dass auch ihm der Tag Freude bereitet, und das ist der ganzen Stimmung natürlich ausgesprochen zuträglich. Am oberen Ende des Lehrpfades geht der Waldboden in ein Sumpfgebiet über und wir müssen über baufällige Stege balancieren. Hier im Dschungel finden Verrottungsprozesse schneller statt als man mit der Reparatur hinterherkommen könnte: Alles ist voll mit Termiten, Ameisen, Pilzen, Bakterien und sonst auch allem, was kreucht und fleucht. Auf dem Rückweg erblicken wir dann noch einen der heimlichen Stars dieses Dschungels, wenn auch nur für ein paar Sekunden: Über unseren Köpfen kreist ein kapitaler Hornvogel, ein Anblick, den ich bislang nur aus dem Zoo kannte.

Nach der Wanderung fahren wir einen knappen Kilometer weiter zu einem Restaurant auf dem See, in dem wir an einer langen Tafel sitzend ein einfaches, aber auch hier wieder ausgesprochen leckeres Mittagessen zu uns nehmen können. Selbst Antjes Wunsch nach vegetarischem Essen ist berücksichtigt worden, sie bekommt neben dem für Thailand typischen Omelette noch fleischfreie Tom Kha Gai-Suppe. Dem Rest von uns werden als Highlight im Ganzen frittierte Tilapia aus dem See gereicht. Nach dem Essen haben wir einige Stunden zur freien Verfügung; Diese Zeit füllen wir gut und gern im See badend oder auf diesem Kajak fahrend. Für Nele hatten wir am Anfang schon Fischfutter gekauft, eine Spende, die die Karpfen am Ufer dankend entgegen nehmen. Eine entspannte Atmosphäre macht sich über dem schwimmenden Häuserensemble breit, und auch alle anderen Gäste entspannen sich.

Gegen 15 Uhr machen wir uns langsam auf den Rückweg. Eine Station erwartet uns auf unserem Ausflug noch, und auf diese habe ich mich insgeheim schon besonders gefreut. In den Karstfelsen sind, ich schrieb es oben bereits, unzählige Höhlen ausgewaschen worden. Eine von diesen, hochtrabend als Diamond Cave bezeiechnet, ist unser Ziel. Thong verteilt Kopflampen, und nach gefühlten 1000 Treppenstufen auf einer abenteuerlichen Treppen-Leiter-Mischung in praller Sonne zwängen wir uns endlich durch einen schmalen Spalt in das Innere der Höhle. Hier ist es gleich ein wenig kühler, aber zum erfrischend sein reicht auch das nicht. Wir sind einfach in den Tropen, und das merkt man gerade heute ganz besonders.

Die Höhle ist reich an Stalagtiten und -miten, arm an künstlicher Beleuchtung und durch die vielen von unseren Stirnlampen geworfenen Schatten schön gruselig. Nele gefällt es, und Ian, immer in der Kraxe mit dabei, beschwert sich immerhin nicht. Hinter einem engen Durchstieg finden wir dann das, was ich gern hatte sehen wollen: An der Decke hängen unzählige schwarze Päckchen, eingewickelt in ledrige Flügel – Fledermäuse! Jeden Abend gegen 19 Uhr, kurz nach Sonnenuntergang, machen sie sich auf den Weg, schwärmen nach draußen, um Fruchtnektar zu trinken. Ich bin froh, dass es noch nicht so weit ist, denn in einem flatternden Schwarm zu stehen, das müsste ich nun auch nicht haben. Wir beobachten die possierlichen Tierchen ein wenig beim Schlafen, bevor wir uns endgültig auf den Heimweg machen.

Zurück geht es mit dem Big-Tail-Boat zum Staudamm und von da ab mit dem gleichen Mini-Bus zum Hotel. Wir lassen den Abend im Dorf bei einem frischen Abendessen ausklingen, bevor wir erschöpft unter unsere Moskitonetze schlüpfen, nur noch begleitet vom Geräuschteppich des Dschungels.

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