Sticky Waterfalls

So langsam haben wir die Unternehmungen ausgeschöpft, die in Chiang Mai fußläufig oder per Grab erreichbar sind. Also werfe ich einen Blick ins Netz, vergleiche Mietwagenpreise – ganz billig ist das hier leider auch nicht. Besonders beim Kindersitz für Ian langen die großen Verleiher kräftig zu. Zeit also, den kleinen Hinterhofanbietern eine Chance zu geben.

Auf dem Weg zum Nachtmarkt fällt uns ein unscheinbares Schild ins Auge: „CD Rent a Car – Call Nancy!“. Wir schreiben Nancy ihr über WhatsApp – kurz darauf ist die Sache geregelt. Eine Limousine für sechs Tage, inklusive Kindersitz, für 6.000 Baht. Dazu 3.000 Baht Kaution – ein Detail, das später noch wichtig werden soll.

Am nächsten Morgen hole ich das Auto entspannt nach dem Frühstück ab. Wir packen für einen Tagesausflug und machen uns auf den Weg gen Norden. Unser Ziel: ein kleines Naturwunder namens „Sticky Waterfalls“.

Hinter Chiang Mai wird der Verkehr rasch dünner, die Straße windet sich durch sanfte Hügel, vorbei an Dörfern mit Wellblechdächern und Straßenküchen. Je weiter wir fahren, desto dichter rückt das Blattwerk zusammen. An manchen Stellen flimmert das Sonnenlicht nur noch gefiltert durch die Windschutzscheibe. Kurz vor dem Ziel wird die Straße schmaler, holpriger – und dann: Nach einer letzten Kurve stehen wir vor einem Checkpoint. Männer in Uniform sitzen im Schatten. Das hat allerdings nichts mit den Unruhen im nicht allzu weit entfernten Grenzgebiet zu Myanmar zu tun, sondern gehört zur Standardausstattung thailändischer Nationalpark-Eingänge. Wir haben den Buatong-Wasserfall erreicht.

Gleich am Anfang empfängt uns ein großer Parkplatz. Dahinter liegen – wie so oft – ein kleiner Tempel, Garküchen auf Tuktuks oder in schiefen Blechbuden und ein einladender Süßwasserteich, in dem karpfenartige Fische ihre Runden drehen. Gespeist wird der Teich vom Bach, der an der „Quelle der sieben Farben“ – dem Nam Phu Chet Si – entspringt.

Einer Legende nach entstand die Quelle aus den Tränen Buddhas, der über das Leid der Welt klagte. Sie fielen zur Erde und bildeten ein farbig schimmerndes Becken. Die mineralischen Ablagerungen im Wasser sorgen tatsächlich für einen fast mystischen Glanz. Die Quelle gilt als heilig; viele Besucher bringen Opfergaben dar oder waschen sich mit dem Wasser, dem eine reinigende, ja heilende Wirkung nachgesagt wird.

Uns interessiert heute aber vor allem, was mit dem Wasser nach der Quelle geschieht: Über vier Kaskaden stürzt es rund 30 Meter in die Tiefe – und genau das macht den Ort so besonders. Wie bei anderen Karstquellen, etwa den Plitvicer Seen in Kroatien, lagert das kalkhaltige Wasser auf seinem Weg Travertin und Kalktuff ab. Doch anders als dort haben Algen und Moose hier kaum eine Chance, sich festzusetzen – die hohe Fließgeschwindigkeit macht’s möglich. Das Ergebnis: ein griffiger, fast rauer Untergrund, auf dem man auch ohne Badeschuhe sicheren Tritt findet. Während man in Kroatien längst nicht mehr baden darf, darf man hier noch völlig ungezwungen klettern, rutschen, planschen.

Ich steige mit Nele über eine Holztreppe nach ganz unten, und gemeinsam arbeiten wir uns kletternd durch die erfrischenden Wasserkaskaden wieder nach oben. Besonders steile Stellen sind mit dicken Tauen gesichert – so wird das Naturabenteuer auch für Kinder gut handhabbar.

Oben angekommen laden wir Antje und Ian ein, uns auf einer zweiten Runde zu begleiten. Eigentlich ist der Zutritt erst ab sieben Jahren erlaubt, aber der Ranger, der an der Treppe sitzt, verzieht keine Miene, als ich Ian auf den Schultern an ihm vorbeitrage. In Thailand setzt man eben noch auf Eigenverantwortung – deutlich mehr als wir das aus Deutschland gewohnt sind. Natürlich lassen wir Ian nicht auf eigene Faust klettern. Stattdessen darf er in einigen der Becken nach Herzenslust planschen – das reicht ihm völlig.

Nele dagegen dreht Runde um Runde. Es ist wie ein riesiger Wasserspielplatz – nur eben von der Natur selbst geschaffen.

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